Die Sache mit den Schutzimpfungen
Wer will nicht seinen Hund oder seine Katze vor den Gefahren einer schweren Infektionskrankheit schützen? Staupe, ansteckenden Leberentzündung des Hundes, Parvovirose, Parainfluenza und Tollwut sind fiese Krankheiten, die Angst und Schrecken verbreiten können, ebenso Leukose, Katzenseuche und Katzenschnupfen. Aber auch Borreliose, wenn man sie als Hund hat, ist nicht witzig.
Die Hersteller derartiger Impfstoffe stellen Impfschemata auf, die man in den Beipackzetteln nachlesen kann. Neuerdings werden „Fortbildungsveranstaltungen“ für Tierarzthelferinnen ganz gezielt überall im Bundesgebiet durchgeführt. So werden die Tierhalter „bestens“ darüber informiert, wie oft und weshalb sie ihren Schützling impfen „dürfen“.
Manche Impfstoffhersteller liefern Postkarten an die Tierärzte, die diese dann an ihre Kunden verschicken – natürlich mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit einer Wiederholungsimpfung.
Sehr lieb gemeint – möchte man denken. Aber es steckt ein knallhartes kommerzielles Kalkül hinter den Postkarten und den „Fortbildungsveranstaltungen“, die übrigens mancherorts mit luxuriösem Büffet auch für Tierärzte durchgeführt werden. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass die „Impferei“ weniger dem Wohl der Tiere als dem Umsatz der tierärztlichen Praxen dient, insbesondere, wenn man bedenkt, dass diese in Deutschland zu etwa 60 Prozent nur dann existenzfähig sind, wenn die Inhaber über die Brücke der Pharma-Info gehen: Alle 12 Monate impfen, volles Programm!
Abgesehen davon, dass Schutzimpfungen für Hunde und Katzen in Deutschland immer teurer werden: man hört glaubhafte Berichte von 80 bis 90 Euro für eine „Rundumimpfung“ der Hunde oder Katzen, müssen Tierhalter, wenn sie nicht pünktlich nach 12 Monaten in die Praxen gekommen sind, „zur Strafe“ nach einigen Wochen noch einmal zum Impfen antreten. Und das kostet natürlich. Dieser „Erziehungseffekt“ wird von den Pharmafirmen besonders betont. Man spricht es dort unverblümt aus: „Sie müssen als Tierärzte ihre Kunden erziehen.“
Was soll ein Tierarzt oder ein Tierhalter nun glauben? Welches Impfschema bzw. welche Impfintervalle sind sinnvoll ohne den Patienten zu gefährden?
Wir haben in der Zeit von 2004 bis 2010 das Blut vieler Katzen und Hunde gezielt dahingehend untersucht, wie hoch deren Gamma-Globulin-Level ist (die Gamma-Globuline stellen die Gesamtheit der Antikörper dar), und es ergab sich folgende Überraschung:
Jungtiere, die im Alter von 8 bis 12 Wochen zweimal geimpft worden waren, haben einen Gamma-Globulin-Level, der etwa nach zwei Jahren auf einen Halbwert zurückgeht. Wurden die Tiere im Laufe der Jahre mehrfach geimpft, so sank der Gamma-Globulin-Level nach zwei Jahren um 25 bis 30 Prozent. Bei alten Tieren – vorausgesetzt sie blieben gesund- sank er nach zwei Jahren so gut wie überhaupt nicht.
Das bedeutet: Hunde und Katzen erwerben im Laufe ihres Lebens durch wiederholte Schutzimpfungen eine lang- und länger anhaltende Immunität entsprechend ihrem Gamma-Globulin-Level. Man kann also – ohne rot zu werden – seine Schützlinge nach etwa 2 Jahren wiederholt impfen, um eine Antikörper-Neuproduktion zu entfachen.
Wenn man bedenkt, dass in europäischen Nachbarländern Hunde und Katzen nur alle zwei bis drei Jahre den Tierarzt wegen einer Schutzimpfung sehen, ist die Frage berechtigt, ob es in Deutschland diesbezüglich mit rechten Dingen zugeht? Man bedenke auch, dass selbst ein maximal hoher Gamma-Globulin-Level keinen absoluten Schutz vor den genannten Krankheiten darstellt.
Die Impfungen gegen Leukose bei der Katze und gegen Borreliose beim Hund haben wir bei unseren Untersuchungen nicht berücksichtigen können. Eine entsprechende wissenschaftlich korrekte Analyse ist schwierig, weil bekanntermaßen Hund und Katze auf diese Impfungen immunologisch nicht so gut reagieren, was allerdings nicht heißen soll, dass sie Nonsens darstellen.
Dirk Schrader, Hamburg